Ein gutes Leben mit dem Einst: An nebligen Tagen verhelfen Champagner (oder deutscher Winzersekt), das Feuer im Kamin und unser Archiv zum ruhigen Glück. Wir werden jetzt auf www.carsandcritics.de häufiger vor einem Wochenende die Erinnerung pflegen.
DAF-Anzeige aus „auto, motor und sport“, vom 27. Februar 1971, Heft 5, Seite 57. Abbildung wp.
Nicht alles war schlecht. Was damals auf unseren Straßen fuhr. Besonders, weil heute alles besser sein soll. Vielleicht ist es das auch, aber: Was bedeutet besser? Im Vergleich zu den Autos vor fünfzig Jahren sind die Autos 2019 rollende Paläste teurer Technik und aufwendige Chemiefabriken. Die Preise des Fortschritts und der Erkenntnis. Da fallen einem doch sofort einige Beispiele aus dem Kreis unserer einstigen Favoriten ein, und www.carsandcritics.de kommt aus dem Archiv: Wir blättern in diesem schon etwas ramponierten Heft von „auto, motor und sport“ (ams), das unverzichtbare Grundnahrungsmittel für den Autofan der siebziger Jahre. Und schon auf Seite 8 fährt die erste Frage aus einer Rechtskurve: War der Renault R4 bereits ein erstes SUV? In Deutschland im Jahr 1970 „das meistgekaufte Auto der 5000 DM-Klasse“ (Annoncentext). Schon mit einer gewissen Klobigkeit im Design, aber irre praktisch, vier Türen, Heckklappe „bis zum ebenen Fahrzeugboden“, etwas höhere Sitzgelegenheiten, Einzelradaufhängung und mit dem 34 PS-Motor fähig für eine „Dauergeschwindigkeit“ von 123 km/h. Normalbenzin, davon 6,5 Liter Normverbrauch, Preis ab 4850 DM, also doch kein SUV, die sind teurer, sparsamer, doch längst nicht so freundlich wie der Renault R4. Ein paar Seiten weiter treten Opel Ascona und der Ford Taunus im Duell an, beide neue Mittelklässler, es gibt keine Punktewertung, aber „ams“ bevorzugt den kompakt-schlanken Ascona gegenüber dem Ford Taunus, obwohl dieser: „.. in der Gewichtigkeit seiner Erscheinung den Ascona bei weitem übertrifft“, welch elegante Formulierung für die aufgeblasene Karosse. (Vor der man heute wieder auf Knien liegen kann. Schnief.) Über ein Essay des unvergessenen „B.Busch“ blättern wir drüber (schon längst mehrmals gelesen) und landen drei Seiten hinter der Peugeot-308-Anzeige („Der dynamische Peugeot“) bei einer Annonce, deren Botschaft die kurioseste Verkehrung der Realität abbildet: Fünf-Tage-Bart-Mann mit Rennhelm und Brille wird in der Schlagzeile als „Sonntagsfahrer“ verunglimpft, darunter aber seine Ehrenrettung: „Männer wie er sind sonntags für DAF auf den Pisten.“ Damit alle erkennen, wie „sportlich die Variomatic“ von DAF ist. Hat sich aber dennoch nicht durchgesetzt, das geniale Riemengetriebe der Niederländer, im Alltag immer unterwegs mit demütig fahrenden Menschen, die eigentlich kein Auto wollten, begleitet vom lärmenden Motor, der kreischenden Automatik, und dem Mitleid der Überholenden. Insgesamt aber: Was für eine herrliche Autozeit, damals zum Beginn der 1970er Jahre. Wer das nicht glaubt, sollte sich an den eleganten Simca 1301 erinnern. Oder an den schnittigen Opel Manta, den mit dem fliegenden Fisch im Wappen, an den gerne als brutal verkauften NSU TT mit „65 luftgekühlten PS“ und dem hintersinnigen Werbespruch: „Da hört man, was man fährt.“ Alles vergangene Zeiten, untergegangene Marken, jetzt darauf ein sprudeliges Sprite, manches auf unseren Straßen war einfach wunderbar, aber: Tempi passati. (wp.)