Jeder, wirklich jeder glaubte, die Audi-Burschen würden nie zu dieser Einsicht neigen. Nämlich den R8 nur über die Hinterachse zu befeuern. Ja, es geht, und wie!

Update

Und tatsächlich: Ab sofort (November 2019) übernimmt Audi den R8 V10 RWD in das Normalprogramm: Power und Rasanz ist lieferbar, so lange Kunden in ausreichender Menge zugreifen. 5,2 Liter Hubraum, V10-High-Tech mit 540 PS auf die Hinterachse, Preis ab 144 000 Euro.

 

Der Audi R8 RWS ohne Quattro-Antrieb ist schon ausverkauft. Impressionen durfte Wolfgang Peters mit ihm einfahren, und erschreckte dabei drei kohleschwarze Raben, die jetzt immer für www.carsandcritics.de über den Testwagen kreisen.

Der weiß lackierte und mit antiquierten Rot-Segmenten verzierte R8 RWS ist der einzige Straßen-Serien-Audi R8 mit ohne Quattro-Technik, ausschließlich mit Hinterradantrieb. Rear Wheel Series statt quattro ist die Devise für das Renngerät. Seine Produktion ist auf 999 Exemplare beschränkt, vor ein paar Monaten schon ausgelaufen und er wurde für rund 145 000 Euro pro Exemplar verkauft. Also deutlich billiger als die von jeher allradgetriebenen R8-Versionen. Aber mancher Händler hat einen gebunkert, da helfen Fragen und ein paar Scheine mehr als gute Argumente. Aber wegen des Preises wird sich keiner für diesen Liebhaber-R8 entscheiden. Eher schon wegen des Reizes, das etwas andere Fahrgefühl in diesem Top-Audi zu erleben. Aber der Unterschied zum Quattro-R8 ist im reglementierten Alltag zwischen Tempolimit und Vernunft, begleitet von der üblichen Menge anderer Partner im Straßenverkehr anfänglich gar nicht und dann erst mit höchster Sensibilität im Kopf, in den Fingern sowie im Rücken und in dessen Verlängerung zu verspüren. Denn der RWS-Audi fährt aus der heimischen Garagen-Boxengasse im dörflichen Spessart heraus wie jedes andere Auto, das beim Start brüllt und faucht wie das sabbernde Alien-Untier aus einer anderen Galaxis. Auch der einachsgetriebene R8 wird von dem legendären 5,2-Liter-V10 befeuert, der hier 540 PS/397 kW bei wahnwitzigen 7800 Umdrehungen in der Minute leistet, natürlich frei saugend, ohne Turbolader. Das reicht für Tacho 330 und etwa 3,8 bis 4,1 Sekunden für 0 bis 100, und, Überraschung: Der Hinterradantrieb hat dabei keine Traktionsprobleme und der Geradeauslauf ist recht stabil. Zwischen 9 und 18 Liter Sprit, gerechnet auf 100 km, werden verkostet. Beim Start am frühen Morgen haut die Maschine hochdrehend für jene vier Sekunden voll auf die Pauken, in der alle Nachbarn nach dem Lichtschalter greifen, in denen aus der alten Eiche ein trockener Ast bricht und die drei bösartigen Raben mit ihrem silbernem Kohlefarbengefieder empört aufflattern. Dann bricht die Sound-Orgie einfach ab und der V10-Motor raschelt und knistert noch ein wenig, wie die Weihnachtskekse von Oma zu Ostern. Tatsächlich rollt der R8 RWS beinahe lautlos an, hangelt sich bei mildem Gaseinsatz rasch bis in die siebte Stufe des Doppelkupplungsgetriebes hinein und ist mit heuchlerischem Hecheln wie ein braver Bluthund auf der Suche nach den Kurven. Und hier lauert die Herausforderung für den Fahrer: Schneller als Tacho 110 sind nicht erlaubt auf Land- und Bundesstraßen und der Ausbauwahn hat vielen Kurven ihr herausforderndes Wesen genommen. Etwa 75 Kilo ist der R8 RWS leichter als die Quattro-Version und diese Verringerung meldet sich nicht freiwillig beim Fahrer. Er muss sie aufspüren und ich war auf privatem Grund zwischen den Pylonen unterwegs. Zu schnell im Überschwang, etliche Rausrutscher beim Herantasten, dann kontrolliertes Übersteuern, ein bisschen Qualm von den Reifen, nur die Raben schrien vor Grimm und koteten aus Leibeskräften. Dann wird deutlich: Der RWS lenkt erkennbar präzise ein, der Bremspunkt wird mit dem Herunterschalten am besten ein wenig in die Kurve hinein verlegt, das erleichtert das Heck mit seinem kontrollierbaren Drang nach außen, nun muss richtig gegen gelenkt werden. Eine Fahrmaschine ist der Audi R8 seit über zehn Jahren. Und immer mit Allradantrieb. Der schnellste Botschafter für Quattro. Aber es geht auch ohne. Und der Motorsound fetzt mir die Stöpsel aus den Ohren.Was im RWS zu spüren ist, das entspricht der erwarteten Lebendigkeit eines übermotorisierten Sportwagens mit penibel eingerichteter Heck-Traktion. Dann drückt der ansatzlos attackierende Motor unter gutem Gas die Fuhre auf dem richtigen Kurs aus der Biegung heraus. Das lässt sich auch zwischen 80 und 110 km/h erfahren, dabei übernimmt die exakte Eiligkeit des Gangwechsels mit Doppelkupplung eine tragende Rolle. Der R8 RWS giert mit mächtig wummerndem bis kreischendem Sound nach Kurven, Gas und Drehzahl. Wirklich ruhig wird es in ihm auf großer Strecke nie. Dagegen kommen die Raben nicht mehr an. Aber nach der Stille der Nacht liegt eine große Markierung von Vogelkot auf dem hinteren Stoßfänger. Die Rache der Raben.

JETZT: AKUALISIERT

Weil Audi die Kosten-Ertrag-Zügel schärfer nimmt, fährt die Zukunft der beiden Vier-Ringe-Sportwagen im Grenzbereich. Dem ungebändigten R8 und dem herrlich klug-gereiften TT droht das Produktionsende, zu hoch sind die Kosten und zu niedrig sind die Verkaufszahlen. Wer kann, sollte sich einen sichern: Klassiker der Neuzeit! Zum R8: Siehe Update am Textbeginn!