Gelb vor Kraft: Unter einem freien Himmel lebt der Lamborghini Urus am liebsten Foto Lamborghini

SEINE ERSTE GEBURT WAR DIE UNERHÖRTHEIT DER IDEE

Bevor Urus seine Gestalt, seine Dimensionen und seine Wucht der Formen annehmen sowie die Kraft seines Charakters ausbilden konnte, musste er im Geist von Lamborghini zunächst als Idee geboren werden. Das war keine einfache Geburt. Denn die Herausforderung dabei war nicht die Technik, sie war zu entwickeln und zu beherrschen. Das Problem für die Geburt eines Autos wie den Urus lag tiefer. Es war Lamborghini selbst.

Urus entstand zuerst in den Visionen der Manager, dann in den Köpfen der Techniker und schließlich folgten die Herzen der gut informierten und bereits an ihren Bettelbriefen für die Zuteilung eines Urus schreibenden Kunden. Sie alle mussten sich gedulden. Für Urus gab es kein Vorbild und auch keinen wirklichen, neuzeitlichen Vorgänger. Dennoch war Urus präsent, er lebte als Chance, in einer Form des Auftritts und der Technologie, die weder als Skizze noch als Computerprogramm existierten und doch immer im Raum der Überlegungen stand. Urus war unsichtbar, aber anwesend, er bildete sich vielleicht als geistiges Luftgebilde während einer langweiligen Managementklausur in einer Design-Strichzeichnung heraus, dann in den Momenten eines italienischen Sommers mit Gewitternächten, als eine am nächsten Morgen zu diskutierende Erscheinung, später als die immer realer werdende Vision einer konsequenten Entscheidung heraus, von der über etliche Phasen des Prozesses hinweg, keiner wusste, ob daraus nicht nur ein Auto, sondern überhaupt ein Lamborghini werden konnte. Aber es müssen immer mehr Menschen daran geglaubt haben, denn Urus ist der Sieg einer Idee über die Grenzen der Technik, hinweg über die Vorgaben dieser Technik, getragen von Maßstäben und Werten einer konsequenten Nachdenklichkeit aus dem inneren Kern von Lamborghini: Urus führt die Inhalte der Hyper-Sportwagen der Marke in eine neue automobile Dimension. Um Urus und die Sensation seiner Existenz zu begreifen, muss man sich ein wenig mit Lamborghini und seinem Inhalt beschäftigen. Bisher galt Lamborghini als eine ursprünglich sehr persönliche Unternehmung zum Bau von Sportwagen, die permanent im Grenzbereich unterwegs waren. Mitunter auch auf den Straßen der Welt, aber immer grenzwertig in der Einschätzung von Freunden und Feinden. Es waren immer Sportwagen ohne Rücksicht auf jene Limitierungen, die im Rahmen gesellschaftlicher Normen als verbindlich galten: Jederzeit zu schnell, zu scharf auf der Kante zwischen Zauber und Zerstörung, mit Leistungen jenseits bürgerlicher Begreifbarkeiten, Spektakel auf Rädern, die mit Höllenlärm aus hoch gezüchteten Motoren den Frauen die Köpfe verdrehten und in jungen Männern Wünsche weckten, die nichts mit der Gründung von Familien zu tun hatten. Ältere Männer wollten sich dann nur noch von ihren Familien verabschieden.

Ein SUV, ja weil der Markt es will, aber es muss ein Lamborghini werden. Fast erscheint Urus wie ein Familienauto. Er bietet mehr Raum für alles, als jeder andere Lamborghini. Das könnte aber ein Täuschungsmanöver sein. Denn die Passagiere leben an Bord von Urus zwar in großem Freiraum, aber mit hoher Päzision zugeschnitten ist das gesamte Auto auf einen bestimmten Posten: Der Fahrer findet sich im Fokus. So wie das üblich ist in einem Lamborghini. Folgerichtig kann der Lamborghini Urus in Design, Technik und einem dichten Hauch von Luxus nur die extremsten Positionen beziehen. Urus ist nicht jedermanns Freund. In seinem Wesen weitgehend kompromisslos, wenn man die Notwendigkeit für eine größere Gestalt, dem angepassten Innenraumkonzept und bereit ist die gezähmte Brutalität zu akzeptieren. Seine Präsenz auf der Straße ist nicht der Auftritt eines Sportwagens, sondern der eines Fahrzeugs, das sich in keine Kategorie fügt. Das alles zeigt klar die eigentliche Schwierigkeit beim Entstehen von Urus: Nämlich die unverzichtbaren Eigenschaften eines Lamborghini zu übertragen auf eine andere, neue Gattung von Fahrzeug. Hilfreich war dann wohl die Erkenntnis: Erst die eindeutige Konzentration auf einen extremen Charakter und die Übernahme der Lamborghini-Eigenschaften ließen dieses unverwechselbare Auto entstehen. Es ist die Essenz der Marke im neuen Format, und jeder Urus darf als Unikat gelten für den, der ihn bezahlen und mit ihm leben kann. Es wird ein Leben jenseits üblicher Mobilität. Also wie bei Lamborghini üblich.

Der Lambo im Bärenpelz. Bei 204 000 Euro liegt aktuell der Preis, ohne Extras, das kann sich rasch ändern, Chinesen betteln um Zuteilung, mit bündelweise Barem. / Doch der Preis wirkt fast bescheiden. / Im Innenraum liegen viele Quadratmeter leckerer Rinderhäute. gediegene Nähte. Aber wenig Ablagen. / 650 PS kreischt der turbogeladene Vierliter-V8 bei 6000/min in die Öffentlichkeit. Keiner mag sich vorstellen, wie Einspritzen und Ladungswechsel ablaufen mit 32 Ventilen. Schnatter. / Natürlich Allradantrieb und Allradlenkung. Sehr hilfreiche Wankstabilisierung. / Kein Serien-SUV ist schneller, über 305 km/h Spitze gelten, mit 2,3 Tonnen Leergewicht in 3,6 Sekunden auf 100 km/h. / Alles für die eilige Familie. / Wenn es sein muss, kneifen die Carbon-Keramik Scheibenbremsen die Backen aber sowas von zusammen. / 12,3 Liter für 100 km, so belügt uns der Normverbrauch, in Wirklichkeit zwischen 35 und 15 Liter. / Tankinhalt, keine tausend Liter. / Nach der Fahrt unter der Haube eine Hitze wie in der Hölle. Dantes Inferno für Glückliche. / Urus macht den Cullinan von Rolls-Royce nass. / Aber sowas von. / Siamo in Italia.

Das Buch zum Auto: Die Schönheit des Biestes

Endlich ein handliches Auto-Buch-Format, und das für den 2,3-Tonner Lamborghini Urus. Matthias Pfannmüller ist ein Motorjournalist mit ein paar Kanten und er verfolgt gerne Buch-Ideen, die nur mit ausgesprochener Hartnäckigkeit zum gedruckten Ergebnis führen. Kompakt im Körper und konzentriert im Inhalt ist sein jetzt vorgelegtes Buch „Lamborghini Urus – Die Geschichte des Supersportwagens unter den SUV“ zu rund fünfzig Euro. Es kommt aus dem renommierten Motorbuch Verlag, mitgearbeitet hat der einschlägig vorbelastete Autor, Verleger und Buch-Macher Uli Praetor. Miteinander haben sie es geschafft, nicht nur den in seiner Gesamtheit unglaublichen SUV-Lambo Urus so vorzustellen, dass man eine gewisse Freude an seiner Existenz begreift, und auch seine Zeugung und Geburt verstehen kann. Man erfasst auch, welche Menge an Kraft in dieser Lambo-Firma mit ihrer wahnwitzigen Teufel-Sportwagen-Historie stecken kann. Zwischen vielen Bildern aus dem Lambo-Presse-Archiv warten gute Texte und ein paar interessante Aussagen im Gespräch mit wichtigen Menschen. Alles wird über etwa 200 Seiten begleitet von: „Die Schönheit des Biestes.“ (wp)