Zukunft und Vergangenheit Im Abarth 124 Spider stecken Suchtgefahr und Risiken für die feinen Ohren / Foto Fiat

Unser beständiger Glaube an das Gute im Auto hat während eines goldenen Herbstes den neuen Abarth 124 Spider in unsere Hände gelegt. Es entstand eine rückwärts gewandte Reise in die Zukunft. Denn die sehr gut und markentreu definierte Fiat-Version (wovon der Abarth wiederum eine Ableitung ist) des Mazda MX-5 erinnert gleichzeitig an den verblichenen Fiat Spider aus dem Jahr 1966 und stärkt die Optimisten in ihrem Bemühen um einen modernen, künftigen Widerpart zu den immer präpotenteren SUVs. Zum besseren Verstehen dieser Einschätzung dienen unsere jüngsten Spider-Erfahrungen: Es gibt ein dynamisches Vergnügen ohne Massigkeit, ohne Rasen und ohne Vollgas mit 350 SUV-PS. In diesem Spider der Neuzeit hören wir schon im Stand schnellere Töne als wir fahren, der Motor mit Sportauspuff liefert die größte Oper außerhalb der Arena von Verona, immer mit jener Sehnsucht in seinen Stimmen und mit Schluchzern, die kein Elektro-Auto  jemals beschwören kann. Die Spider-Basis steuert ja Mazda vom MX-5 bei, mitsamt herrlich schwer zu schaltendem Sechsgang-Getriebe und den größten Teilen von Fahrwerk (mit Hinterradantrieb) und Karosserie. Aber von Fiat kommen der 1,4-Liter-Vierzylinder und einige, kleinere Details (reichlicher Einsatz des aggressivem Abarth-Emblems), die eine wunderbare Spider-Vergangenheit in die Zukunft retten könnten. 170 PS (125 kW) und 250 Nm an Drehmoment liefert die in etlichen Fiat-, Alfa- und Abarth-Typen meist mit geringerer Leistung eingesetzte 1,4-Liter-Maschine hier und nirgendwo sonst ist sie dominanter. Im Abarth Spider startet sie mit der akustischen Unwilligkeit eines älteren Autos, das fürs Erwachen ein paar Zündstolperer benötigt und wechselt nach dem Anfahren in die verschiedensten akustischen Gemütszustände von Wimmern und Wehmut bis hin zum bösartigen Brummen über poveres Poltern und dann zum hallenden Ruf der Hörner.  Für längere Autobahnetappen eignet sich der moderne Abarth Spider wegen heftiger Fahrgeräuschen und der Abwesenheit einer mildtätigen Federung ebenso wenig wie sein Vorfahr in den 1970er Jahren, den wir einst im privaten Fuhrpark hatten. Es ist aber ein herrliches Vergnügen, den präzise spurenden und fein reagierenden Abarth durch deutsche Mittelgebirge zu scheuchen und der Suchtgefahr zu erliegen, immer wieder im Wechsel von Schalten und Einlenken und dann Gas drauf, im Hintern die Spider-Reaktionen beim befreienden Pedaleinsatz am Ausgang der Kurve zu fühlen. Die Topversion des Abarth 124 Spider Turismo zu 44 980 Euro kommt mit einigen Zitaten aus der Vergangenheit des Sportwagens, wie zum Beispiel der Motor- und der Kofferraumklappe in Mattschwarz für 1190 Euro extra. So stellte sich der Testwagen doch auf schmerzende 46 170 Euro. Allerdings enthält der Basistarif neben etlichen Annehmlichkeiten auch das nützliche Hardtop, das kompliziert zu montieren ist, dem Spider aber die Aura eines kleinen Sportwagens für alle Jahreszeiten verleiht. Etwa 6 bis 8 Liter Super für 100 km verfeuert der Vierzylinder, der Tank fasst nur 45 Liter, und dieser Spider ist neben dem Fiat Fullback (ein überaus hässlicher, vom Mitsubishi L200 abgeleiteter Pickup) das derzeit einzige Modell in der Fiat-Familie mit Hinterradantrieb. Die Hoffnung, heißt es doch, stirbt zuletzt. (wp)