Zur IAA 2019 in Frankfurt

Die Kernforderungen und die schärfsten Vorwürfe der Autogegner (nicht ausschließlich militante Wirrköpfe) führen direkt zu einem fast tragischen Missverständnis: Es sollte nämlich die Industrie ihre Produktion von Automobilen aufgeben, fordern die Autogegner schlankweg, und ihre Fabriken mitsamt hunderttausenden von Beschäftigten auf die Herstellung von Fahrrädern oder elektrisch betriebenen Rollern einschwören. Ist das noch Ausdruck von intelligenter Gegnerschaft oder doch schon tumbe Satire?

Nach dem fast durchgehend zu vernehmenden Aufschrei wider die angeblich so gefährlichen SUVs (carsandcritics-Definition: meist sanfte Alltags-Fahrzeuge zum privaten Gebrauch, mitunter begabt durch Gelände-Eigenschaften), diese nicht mehr in die Städte zu lassen oder, besser gleich ganz zu verbieten, wird das im linken Bewusstsein ebenso fest verankerte, wie intensiv gepflegte Weltbild immer deutlicher: Eiferer wollen alle jenen Erscheinungen des täglichen Lebens, die ihnen und ihrer Ideologie nicht passen, mit staatlicher Hilfe verbieten und von den Straßen gezerrt wissen. Dabei ist ihnen nicht bewusst, dass sie gegen eine Millionen von Menschen antreten, die sich täglich, und das über Jahrzehnte hinweg, für das Automobil entscheidet.

Es kann nicht darum gehen, eine Industrie zu verteufeln, deren Produkte zu einer freiheitlich strukturierten Lebensweise und Wirtschaft gehören. Argumente gegen das Auto, die versuchen, den Verbraucher und Autokäufer als willfähriges Subjekt zu brandmarken sind als absurde Irrwege längst erkannt. Niemand lässt sich mit Reklame-Parolen und bunten Bildern dazu überreden, ein 30 000 bis 50 000 Euro kostendes Produkt zu kaufen, wenn es nicht handfeste Vorteile lieferte. Und diese sind bei näherem Betrachten im Mittelpunkt einer freiheitlichen Mobilität klar abzulesen: Selbst im tägliche Stau vor der Stadt oder auf der Autobahn bewahrt sich der Mensch in seinem Auto das Wichtigste: Er lebt in seiner Privat-Sphäre.

Nun offenbart das von Wirrköpfen und ehrlich um die Umwelt besorgte Menschen vorangetriebene Ende der automobilen Gesellschaft das Missverständnis vollkommen: Es ist nicht die Aufgabe der Industrie, die Herstellung ihrer Produkte zu verändern oder diese gleich ganz einzustellen. Merke: Die deutsche Autoindustrie produziert auf Dauer nur Erzeugnisse, die Käufer finden. Also Autos, die den Wünschen möglichst vieler Menschen entsprechen, diese zu besitzen und nutzen zu wollen. Und nur irgendwie gekaufte Autos kommen auf die Straßen. Zwar  haben sich die angefeindeten SUVs zum stärksten Segment des deutschen Automarkts entwickelt. Aber die allermeisten davon sind bei Gewicht, Motorleistung, Größe und Fahrleistungen sowie Verbrauch weder Gefährder noch verschwender: Unter den fünfzig meist verkauften Autos in Deutschland kann kein einziges Modell als Riesen-SUV oder als Sprit-Schlucker definiert werden. Das erfolgreichste Modell ist der VW Tiguan, der mit der Technik und den Leistungswerten des VW Golf die meisten Kunden erfreut. Natürlich gibt es die großen SUV-Dinger, aber ihr mengenmäßiger, angeblich negativer Einfluss auf Emissionswerte und Verkehrssicherheit ist nicht nachweisbar. Und existiert nur in den Gegenerschaften des Automobils.

Und hier tritt das zweite Missverständnis auf: Das Elekroauto kommt nicht wirklich voran. Seine Neu-Zulassungen bieten zwar gigantische Steigerungsraten, aber sie gehen aus von vergleichsweise winzigen Basiswerten. In den ersten sieben Monaten 2019 kamen insgesamt 37 022 neue E-Autos (einschließlich der Plugin-Hybriden) neu auf deutsche Straßen. Konventionell befeuerte Automobile kamen auf 2 181 788 neue Exemplare. Vom Durchbruch der E-Mobilität kann noch nur geredet werden,Volkswagen-Chef Diess sieht ihn schon.

Immer mehr Fachleute und auch Politiker haben erkannt: Die Deutschen misstrauen dem Elektroauto. Sie vertrauen den Politikern nicht, die nur wenige ihrer  Versprechen zur besseren Versorgung der E-Auto-Käufer umgesetzt haben. Kein Politiker hat sich wirklich um urban einzusetzende und – vor allem – bezahlbare E-Autos bemüht. Zwar folgen zur IAA 2019 etliche Hersteller dem Strom zur Elektromobilität, aber – so wie es ihre Profit-Ausrichtung gebietet – mit Produkten, die hunderte PS (besser kW) an Leistung aufweisen und über hunderttausend  Euro kosten. Sie wollen erst die solvente Avantgarde bedienen und dann auf die Masse der Normalverbraucher zugehen. Aber die ist mit Recht verschreckt von den Strom-Nachteilen: Geringe Reichweite, hohe Kosten, technische Unsicherheit und viel zu wenig Ladestationen. Im Kreis der großen Produzenten treten in erster Linie Volkswagen und dann Opel mit volksnahen E-Autos zur IAA 2019 in Frankfurt an. Überzeugen muss die Politik die Kunden, nicht die Industrie. Wenn die Kunden sich für E-Mobilität begeistern, dann werden sie von der Industrie schon zur Tränke geführt. Dass sich die Industrie nicht vorführen lassen will, belegen die massenhaften Absagen zur IAA 2019. Eigentlich sind es fast nur die heimischen Marken, die diese einst große Ausstellung im September noch immer zu einem etwas weniger massenhaft gefeiertem Oktoberfest für das Auto machen.  (wp.)