Zur CES in Las Vegas fährt Mercedes seinen Garten der Künste auf: Vision AVTR  (Foto Mercedes-Benz)

Das geheime Leben der Wurzeln

Ob dieses visionäre Ding als Auto zu verstehen ist? Einen großen Stern trägt es im Bug und sein schneller Rücken raubt den Atem. Aber sonst ähnelt es eher einer maschinellen Pflanze. Ein Spektakel ist dieses autoähnliche Ding allemal. Es trägt den ikonischen Namen „Vision AVTR“, ist in Zusammenarbeit von Mercedes-Benz und Avatar-Regisseur James Cameron entstanden und ist in einer dem Auto verwandten Form das große Stern-Statement auf der CES in Las Vegas. Gebaut und verkauft wird dieses Ergebnis von spekulierenden Wissenschaftlern und Designern nie – aber es bietet Möglichkeiten des Entdeckens von Verbindungen von Natur, Technik und Mensch-Sein. Und Mercedes ist dabei, zu entdecken, welche Aufgaben künftige Technik erfolgreich übernehmen könnte. Dafür setzt sich Alexander Mankowsky ein, der bei Mercedes als „Futurologist“ beschäftigt ist. Er ist zum Beispiel den Kommunikations- und Entwicklungs-Strömen von Pflanzen oder Bäumen oder den verborgenen Abläufen unter der erdigen Oberfläche, im Boden der Wälder auf der Spur. Natur-Informationen laufen über große Entfernungen, Wurzeln, Pilze oder Bakterien geben ihre Nachrichten weiter, zur Erhaltung oder Verbreitung und Fortentwicklungen der Arten, sie dienen selbst als Nahrung für Lebewesen, die wiederum selbst Daten, zum Beispiel über Feuchtigkeit und Boden speichern: Das geheime Leben der Wurzeln ist eine faszinierende Welt.

Natürlich hätte Mercedes auch ein anderes Symbol als ein futuristisches Fahrzeug als Erkunder und Versteher dieser Vorgänge in der Biosphäre wählen können. Aber die Marke mit dem Stern produziert eben Autos und offenbar wird zwischen Sindelfingen und Silicon Valley doch weit über Leistung und Luxus neu hinaus gedacht, geforscht und geformt. Wobei „Luxus“ das Stichwort ist für Gorden Wagener, der seine „sinnliche Klarheit“ des neuen Designs von Mercedes mit Inspirationen aus dem Avatar-Epos verknüpfen konnte. In Wageners-Welt verbindet sich das Luxus-Auto der Zukunft mit seinen Passagieren über eine Art von Aura der Menschen mit den Pflanzen als Empfängern der unsicht-, aber empfindbaren humanen Schwingungen als Ausdruck von menschlichen Bedürfnissen.

Alles nicht geeignet für eine in zehn oder zwanzig Jahren startende Serienproduktion. Aber Wissen über Zusammenhänge von Mensch, Natur und Technik kann dem Inneren der Sternmarke nicht schaden. Und ein Design, das agressionsfrei und dennoch attraktiv-anziehend wirkt, das könnte für den Chef des Gestaltens von Mercedes eine schöne Aufgabe über den nächste Mid-Size-SUV hinaus sein. (wp.)