Raps, Himmel und Windräder:  Aber es fließt  zu wenig Strom.  Bildquelle: Petra Bork / pixelio.de
 
Wenn der Wind nicht liefert
 
Mittwoch der 7. August 2019, ein unauffälliger Sommertag in Deutschland. In Paderborn – die Stadt soll hier, weil relativ mittig in Deutschland gelegen als Beispiel herhalten – ist es maximal 23, 24 Grad warm. Es herrscht leichte Bewölkung, der Wind weht mit zwölf km/h aus Westsüdwest. Null Niederschlag. Um 20 Uhr sinkt die Temperatur etwas. Alles normal also. Nicht so bei der Stromproduktion. Weil die Sonne am Untergehen ist und der Wind nur mäßig weht, ist es vorbei mit dem deutschen Ökostromwunder. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, zu der allerorten die Fernseher angeworfen werden und die ersten heimgekehrten Elektroautos an die Steckdose kommen.
 
Denn die Solarzellen arbeiten nicht mehr – und damit fällt ein Großteil des grün erzeugten Stroms aus. Immerhin liefert die Verwertung von Biomasse zuverlässige 5 GW an, die Wasserkraftwerke steuern 2,3 GW bei, die im Meer verankerten Windräder 1,5 GW und die Spargel an Land 6,6 GW. Und Solar? Das letzte Glimmen bringt 0,35 Gigawatt. Nach Adam Riese sind das zusammen knapp 16 Gigawatt an grünem Strom. Nur: Der um diese Uhrzeit abgerufene Bedarf liegt bei 60,6 Gigawatt. Demnach müssen 73 Prozent des angeforderten Stroms aus anderen Quellen erzeugt werden. Was dann, übrigens auch bei der Betankung der dann gar nicht mehr „grünen“ E-Autos, die CO2-Bilanz verhagelt. Weil nämlich der errechnete CO2-Ausstoß dann bei über 500 g je Kilowattstunde liegt.
 
Ein Beispiel nur? Und noch dazu ein willkürliches, ein schlechtes? Ein Ausreißer? Oh nein! Es geht noch schlimmer, noch schlechter. Am 14. Dezember 2018 etwa. Gesamtstrombedarf um 17 Uhr: 77,1 Gigawatt.  Ökostromleistung: 14,5 GW. Anteil: 19 Prozent. Fehlen: 81 Prozent. Das zeigt schonungslos auf, dass die Jubelzahlen zur deutschen Ökostromproduktion (40 Prozent) nicht für jeden Tag und vor allem nicht für jede Stunde gelten. Dass es dafür Sonnenschein, Wind und ausreichend Wasser in den Flüssen geben muss. Dunkelheit, Flaute und Nedrigwasser führen dann, wenn sie zusammenkommen, zum Öko-Strom-Gau. Und was, wenn eines Tages die angepeilte, 100fache Zahl an Elektroautos zusätzlich ans Netz gelangt? Keine Sorge! Im europäischen Stromverbund mit französischen und tschechischen Atomkraftwerken sowie polnischen Kohlemeilern lässt sich das wohl ausgleichen. Und vielleicht auch auf eine ganz andere Art: Da die deutsche Industrie in die Rezession rutscht, wird weniger gearbeitet und weniger produziert. Dadurch sinkt der Stromverbrauch. Und, ganz nebenbei, auch der CO2-Ausstoß. Auch so lassen sich Klimaziele erreichen. (wip)