Der Seitenblick zum Display lenkt ab und ist nicht zu vermeiden: Cockpit im neuen VW Golf mit Touch und Slide (Foto Volkswagen)
VW Golf mit Funktions-Feuerwerk statt mit Drück und Dreh
Alles digital oder was? Tesla als Vorbild? Touch and Slide statt Drück und Dreh? Autobauer glauben, mit der Zeit gehen zu müssen. Sie hinken zwar mancherorts mit neuen Antrieben hinterher, liegen aber dafür bei den scheinbar erstrebenswerten Bedienkonzepten an der Spitze der Bewegung. Da könnte man jetzt zwei, drei Hersteller benennen, aber bleiben wir beim Vierten, beim Größten, bei Volkswagen. Und ganz einfach mal beim Lieblingsauto der Deutschen, beim VW Golf. Der galt bislang als unschlagbar in fast allen Disziplinen und ist es, wie der Blick auf die aktuellsten Testberichte zeigt, noch immer. Raumausnutzung, Antrieb, Fahrverhalten – alles gut.
Doch in einem Punkt, in dem der Wolfsburger bislang ebenfalls Punkte um Punkte einheimste, liegt er plötzlich hinten: Bei der Bedienung! Wie kann das sein? Ganz einfach: Volkswagen-Vordenker glauben, sich an der digitalen Revolution beteiligen zu müssen. Alles gut und schön, aber muss deshalb der gute alte Drehknopf, die (ggf. digitale) Stationstaste und anderes verschwinden? Da ist ständig von Ablenkung durch Smartphones beim Fahren die Rede – eine Bedienung, die übrigens verboten ist und unter Strafe steht. Aber was machen die Wolfsburger Ingenieure – möglicherweise auf Geheiß von ganz oben? Sie bauen ein smartphone-ähnliches Entertainment- und Navigationssystem in den Golf und weitere Modelle ein! Das verstehe einer: Das Bedienen des einen ist verboten, das des anderen nicht? Fakt ist, dass man so einiges nicht mehr blind bedienen kann.
Bislang war der Griff zum Lautstärkedrehregler möglich, ohne den Blick vom Verkehrsgeschehen zu wenden. Auch die Vergrößerung und Verkleinerung der Navi-Karte – der Drehregler macht’s im sprichwörtlichen Handumdrehen. Und nun? Schieberegler sind halt nicht das Wahre. Selbst für geübte Toucher und Slider ist es kaum möglich, das Gewünschte ohne einen Seitenblick aufs Display zu erreichen oder sich gar durch ein Untermenue zu hangeln. Und wer weniger filigrane Finger sein eigenen nennt, setzt gleich ein Funktions-Feuerwerk in Gang. Die Antwort aus Wolfsburg wird da nicht lange warten lassen. Lenkradbedienung! Sprachbedienung! Tja, wenn das mal ebenso gut funktionieren würde. Tut es aber nicht. Und so kommt es, wie es kommen musste: Punktabzug bei der Bedienung – und das gerade bei einem Auto, das wie der Golf vornehmlich von gesetzteren – sprich: älteren – Kunden gekauft wird – und demnächst wurde?
Der gewiss nicht der Altersfraktion zuzuordnende und sicher multitaskingfähige Kollege Marcus Peters, seines Zeichens Auto-, Motor- und Sport-Autor, moniert: „Das wirft die Frage auf, wie gut die Idee war, die Bedienrevolution gerade mit dem Golf anzuzetteln“ Schon füllen sich die Leserbriefspalten der Fachmagazine mit entsprechenden Kommentaren. Christof Neis aus Freisen etwa schreibt in der ams: „Ich bin mal gespannt, wann der verzweifelte Rentner noch ein letztes ‚Bring mich nach Hause‘ ruft und seinen digitalen Golf hoffentlich nie im Gegenverkehr abstellt.“ Weil sich auch bei der AutoBild in dieser Golf-Thematik eine gewisse Ernüchterung eingestellt hatte, zieht Karl-Heinz Storm aus Oranienburg ein knallhartes, als Warnruf nach Wolfsburg taugliches Fazit. Er sieht sich als künftigen Kia-Kunden, denn da gäbe es – neben anderem – „richtige Schalter am Armaturenbrett“. (wip.)
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