Vergnüglicher Routencheck vor der Fahrt

Lesen zwischen Denken und Lenken

Landkarte? Autoatlas? Was ‘n das denn? Jüngere Menschen, die digital aufgewachsen sind, haben analoge Wissenslücken. Wenn sie von A nach B wollen, rufen sie nach Siri oder anderen Helfern und schon weisen die NSA und CIA – nein, Google oder Apple oder TomTom den Weg. Dabei muss man beim Betrachten noch nicht einmal Genickstarre riskieren, weil ja manche Geräte und Systeme und demnach deren Landkarte mit einem sprechen können. Das Smartphone ist somit eine eierlegende Wollmilchsau, die aber in gewisser Weise den Blick trübt, den Blickwinkel einengt und den Denkapparat in Standby-Funktion versetzt. Ja, der Autor dieser Zeilen hängt auch am Smartphone. Und ja, sein Auto fährt ihn per Navi ans Ziel, wobei er schamhaft zugibt, dass er manchmal auf großer Fahrt sogar zwei der elektronischen Pfadfinder nebeneinander betreibt. Aber nun ist ihm, was einem Test bei den Kollegen der AutoBild zu verdanken ist, wieder etwas in den Sinn gekommen. Etwas, das ihn vor zig-Jahren fasziniert und was er inzwischen wieder vergessen hat: Die gedruckte Landkarte, der gebundene Atlas. Und siehe da, so etwas gibt es noch! An den Schul-Diercke hat er sich erinnert und an die so feinzieselierten topographischen Faltkarten. Und an die unhandlichen, auf dem Beifahrersitz abgelegten Stadtpläne, deren Lesen zwischen Lenken und Schalten erfolgte. Aber zurück zum Ausgangs-Punkt: Dem Straßen-Atlas-Test. Also, mal her mit dem Sieger det Janzen – und geblättert. Geblättert im Michelin Straßenatlas Deutschland Europa 2020/2021 (9,99 Euro). Stimmt, die Kartographie ist übersichtlich. Und schwupp, sehe ich auf Seite 62, dass zwischen Rheda-Wiedenbrück und Paderborn 31 Kilometer zu bewältigen sind. Oder an der staugeplagten A8 als Ausweichstrecke (linksrum!) eine landschaftliche reizvolle Tour um den Chiemsee im Angebot ist. Runter in Bernau, wieder rauf in Grabenstätt. Ja, viel länger, aber viel schöner auch. Und siehe da: Es bringt Freude, mal wieder mit dem Finger auf der Landkarte eine Entdeckungsreise zu unternehmen. Ein kleines Vergnügen, das keine zehn Euro kostet. Und schau mal, was die in Slowenien und Kroatien jetzt für ein dichtes Autobahnnetz haben. Von Nürnberg nach Opatija (nicht ins Opatija, nach Opatija!) ein Schnellstraßen-Rutsch, gerade mal noch 40 km Landstraße. Das alles sieht man ohne zu scrollen, ohne zu tippen, ohne zu vergrößern, zu verkleinern. Schön, in Gedanken mal wieder analog zu verreisen, Atlas lesen wie in einem Buch. Und wenn es dann wirklich los geht auf Fahrt, kann man ja noch immer umschalten auf den Smartphone-Mini-Monitor. Es lohnt aber, das Analoge auf Papier zur Sicherheit mal im Auto mitzunehmen. Trägt nämlich kaum auf und braucht auch keinen Akku. Gute Reise! (wip / Foto wp)