Container-Bedürfnis: Parkplatz „Pfingstweide“, A45 nach Norden, beherbergt diese WC-Lösung, wirkt provisorisch, leidlich sauber, mit Reiseabfällen am Rande, leere Flaschen, Kippen und Hinweis in Blau für Mann und in Rot für Frau/Foto wp

MENSCHEN UNTERWEGS – FOLGE 13: A45

Neulich musste ich aus sehr wichtigen Gründen mit dem Automobil nach Essen reisen, Sie wissen schon: „… sind wir in Trinken“. Der Anlass dieser Fahrt tut nichts zur Sache, denn hier geht es um Teilhabe. Um die Gelegenheit, einen Teil Deutschlands kennen zu lernen, der für einen Augenblick in eine neue Welt entführen kann. Mein Besuch dort währte nur 12 Minuten, doch dies war so viel mehr als ein Wimpernschlag in der Unendlichkeit der Banalität.

Ich steuerte also den wunderbaren Wagen in sehr entspannter Haltung auf der wenig frequentierten Autobahn A45 nordwärts. Die prächtige Stadt Lüdenscheid war in der Ferne schon zu erahnen. Das Band der Schnellstraße hob und senkte sich mit der hügeligen Landschaft, doch ich konnte nicht ausmachen, ob dies noch die Ausläufer des herben Westerwaldes waren oder bereits die anmutigen Erhebungen des südlichen Sauerlandes. Der Tempomat war auf gelassene 130 km/h eingerichtet, der Zweiliter-Turbo schnurrte lässig bei 3500 Touren.

Ganz unvermittelt traf mich just in diesem Augenblick ein starker Harndrang – vielleicht die Folge einer Tasse Tee zur Frühstückszeit? Ich bin in diesen Dingen allgemein recht unempfindlich, nehme oft und gerne sogar zwei Tassen Kaffee zur Stimulanz. Heute aber war alles anders. Stabile blaue Hinweisschilder rechts am Wegesrand verkündeten auch schon einen Ort, bis dato völlig unbekannt: Drögenpütt – der Rastplatz Drögenpütt.

Welchem Zufall war es zuzuschreiben, dass just in diesem Moment gerade dieser Ort seine freundliche Präsenz offenbarte – schon schwang sich das Asphaltband in eine lieblich von Wäldern umgebene Anreihung wohlgeordneter Parkplätze, in deren Zentrum ein nicht zu großes Gebäude dem Notdürftigen die ersehnte Erleichterung signalisierte. Nicht ganz ohne Hast wählte ich eine der säuberlich markierten Parkbuchten ganz in fußläufiger Nähe. Die schmucke Sachlichkeit des Häuschens fiel mir erst viel später ins Auge. Jetzt galt es, Prioritäten zu setzen!

Wenige Minuten waren verstrichen, als ich den geringfügig vom alltäglichen Vandalismus gezeichneten Ort aus Beton, V2A-Stahl und armiertem Glas bereits wieder hinter mir ließ. Meine Kreppsohlen hinterließen eine leichte feuchte Spur auf dem Asphalt, und voll neu empfundener Leichtigkeit ließ ich den Blick schweifen in westlicher Richtung. Dorthin, wo sich
die Sonne gerade dem Horizont näherte. Drögenpütt, Ort der Freiheit, Sehnsuchtsort der Gestrandeten des letzten Augenblicks, der Gequälten vom Kilometer 127,5.

Wer nur hat Dir diesen Namen zugedacht? Sei bedankt, denn es schwingt so viel Freude mit in der Aura dieses Ortes: Erleichterung, Dankbarkeit, Aufbruch – und auch neue Tatkraft! Autofahrer, der Du Dich dem harten Verhalten verschrieben hast, der Du Deinen Mitreisenden Enthaltsamkeit verordnet hast, lass Dir sagen: Es kommt nichts Besseres! Fahr nicht vorbei an Drögenpütt, Kilometer um Kilometer, nordwärts, soweit die Blase hält! Denn dort, weit erst hinter den Toren Lüdenscheids, erwartet Dich nur bittere Enttäuschung: Brunsbecke, der Parkplatz – auch er mag dem Suchenden zunächst ein Name voll verheißungsvollem Klang sein! Doch welch bittere Enttäuschung! Statt Erleichterung – nichts, gar nichts! Dort sah ich weinende Kinder am harten Bordstein sitzen, während sich die Rücken grauer Männer unweit vor einem alten Jäger-Zaun krümmten.

Mein guter Freund R. hat mir schon früh die wichtigste Regel guter Seemannschaft mit auf den Weg des Lebens gegeben – damals, auf der nervenzerfetzenden 24-Stunden-Tocht am wellengepeitschten Ysselmeer. Der niederländische Wind war schwach, die Nacht war lang und dunkel, viele Flaschen „Hertog Jan Primator“ drängten ins schlammgrüne, überdüngte Gewässer. Da sprach R. jene Worte, die ich bis heute im Herzen trage und als Gruß allen Reisenden auf der A45 mit auf den Weg geben möchte: „Der beste Moment für´s Reffen ist immer dann, wenn man das erst Mal daran denkt!“ (cw)

Pilz-WC: Toilettenanlage der neuen Art: A45, nach Norden, Parkplatz „Nachtwache“, sauber und innerlich aus Stahl und Blech