Fiaker in Ruhestellung verstören nicht wegen ihrer Stickoxide. Dazu sind sie zu schön. (Foto: Rainer Sturm/pixelio.de)

Schon vor Wochen hat unser CarsandCritics-Autor mit dem folgenden Text die entscheidende Schwachstelle beim Messen der NOx-Werte offen gelegt: Wo wird gemessen, an welchen Punkten in der Stadt und in welchem Abstand von der Fahrbahn werden die Stickstoffoxide gemessen? Dabei werden die Stickstoffdioxidwerte (NO2) ermittelt, die letztlich bei Überschreitungen zu den gerichtlich festgelegten Fahrverboten führten. Dass es entscheidend auf die Position der Mess-Stationen ankommt, zeigt die Recherche unseres Autors.

Drunt’ in der grünen Lobau, an der Donau so blau. Nein, ganz so geht der Text des Wiener Volksliedes, besungen von Peter Alexander, Willy Hagara, ja gar Richard Tauber, nicht. Aber drunt’ (Hochdeutsch: unten) in der Lobau, einem Landschaftsschutzgebiet südöstlich von Wien, gibt es eine Besonderheit. Und die ist betongrau, findet sich am rundum begrünten Grundwasserwerk und misst die Luftgüte. Meine Güte, möchte man da sagen. Sinn macht die Station im Hinblick möglicherweise auf die vom westlicher liegenden Tanklager am Donau-Ölhafen. Aber kaum, um den wichtigen Stickoxidwert des Fahrzeugverkehrs zu ermitteln. Denn: Straßen gibt es nicht.
Doch das ist nicht die einzige Besonderheit, ach was, Skurrilität, der Schadstofferfassung in Wien. Denn die dortigen Stationen messen, anders als die in Deutschland, zumeist nicht am Straßenrand. Sondern, Beispiele, auf dem alten Mesnerhaus des Stephansdoms in der Fußgängerzone oder im teilbegrünten Freigelände des Allgemeinen Krankenhauses (AKH). Der Magistrat der Stadt Wien benennt diese Mess-Stelle als „Währinger Gürtel“. Letzterer ist in der Tat stark befahren – aber wundersamer Weise 160 Meter von der AKH-Luftgüte-Station entfernt. Und auch an einem Bermuda-Dreieck des Wien-Verkehrs (Linke Wienzeile, Gaudenzdorfer Gürtel, Mariahilfer Gürtel) hat man die Station in die Dunklergasse verbannt und nicht etwa am Straßenrand gar nahe des Kreuzungsbereichs der Magistralen aufgestellt. Wiener Schmäh dieser Art ließ sich noch mehrfach aufzählen. Mit klarem Ergebnis: Die Donaumetropole hat, anders als München, Stuttgart oder Berlin, kaum ein Problem mit NOx, also den Stickoxiden, die man gemeinhin dem Dieselmotor zuschreibt. Das wäre so, als würde die berühmt-berüchtigte Mess-Station Stuttgart-Neckartor gegenüber im Park stehen oder die in Münchens Landshuter Allee im Grüngürtel hinter der Fachakademie für Sozialpädagogie – jeweils 100 Meter von der Straße entfernt. Fahrverbote wären so wohl schnell vom Tisch.
Der Trick um das Wunder von Wien: Gemessen wird fast ausschließlich im Hintergrund, also in Stadtvierteln und nur mit zwei Ausnahmen (Taborstraße, Hietzinger Kai) direkt an einem stärker befahrenen Hotspot. Doch auch hier sind die Messanlagen bei weitem nicht so scharf positioniert wie in Deutschland, denn die Umgebung gestaltet sich gefälliger. Und man meidet offenbar so gut es geht auch die Erfasssung eigenverursachter Schadstoffproduktion. Anders, als etwa in Mainz oder Nürnberg, wo die Mess-Stellen schon mal unmittelbar an Bushaltestellen liegen und den Abgasstrom der ÖPNV-Dieselfahrzeuge einsaugen dürfen.
Dabei ließen sich, so denn die SPD-Umweltministerien Svenja Schulze das nachgeordnete Umweltbundesamt entsprechend anweisen würde, die Mess-Stationen – EU-konform – durchaus anders positionieren: bis zu zehn Meter weit von der Straße entfernt, in bis zu vier Metern Höhe und mindestens 25 Meter abseits von Kreuzungen. Maßgaben, die in Österreichs Hauptstadt noch viel großzügiger ausgelegt werden. Ja, drunt’ in der grünen Lobau, da steht ein Kasten so grau… (wip)