Opel Rekord P1, Panoramascheibe: der soziale Aufstieg war geschafft. Der VW war Vergangenheit. Die Zukunft erschien uns wie ein strahlender Blitz – 55 Jahre später hat es ausgeblitzt

DER VATER FUHR OPEL. ZEIT SEINES LEBENS – IMMER OPEL

Natürlich waren da zuerst die fürchterlichen Ingenieurs-Verirrungen, entstanden im Zeichen der Männerfreundschaft großer Österreicher: Der Kübelwagen, auf dem Weg in die russische Gefangenschaft – und dann, vielleicht aus kollektiver Orientierungslosigkeit, ein gebrauchter Käfer. Ovali. Entzückende Fotos in verblichenem Schwarz/Weiss: Ovali mit Familie und Kinderwagen, Ovali mit Familie auf dem Großglockner. Mein erster Hilfsdienst bei der Handwäsche im Garagenhof endete mit einem abgebrochenen „D“-Schild, das damals noch freischwebend an der schlecht verchromten Heckstoßstange angebracht war. Aua – aber keine bleibenden körperlichen Schäden, danke…

Dann aber: Opel Rekord! P1 gebraucht, zweitürig – Panoramascheibe! P2 schon viertürig, und verchromt wie Liberace. Rekord B und C mit Schiebedach – das hat man sich gegönnt, und Mutti durfte die Farbe (mit)entscheiden. Der Händler war alle vier Jahre der Zeremonienmeister für eines der wichtigsten Familienfeste: der neue Opel wurde besichtigt, Prospekt und Preisliste wurden studiert, Motorleistung und Komfort und Bremswirkung getestet. Dann wurde nach Haushaltsbudget „konfiguriert“ (wie hieß das damals?). Und sehr lange abgewogen, entschieden und letztlich ein Vertrag unterschrieben. Unser Hoher Priester dieser Feierlichkeiten war die Firma Opel Wengler, in Bamberg. Gegen den Duft seines Showrooms konnten auch die Probefahrten mit den alternativ bereitgestellten Fiat 2100 und BMW 1800 nicht anstinken.

Später, in Regensburg, hieß der Auto-Händler unseres Vertrauens Sieber, Opel-Sieber. Der gesellschaftliche Aufstieg hatte den Namen Commodore A, und der hatte zwei zusätzliche Zylinder und ein schwarzes Vinyldach! Sieber beriet, lieferte, wartete, reparierte, montierte Winterreifen, gab (langweilige) Riverboat-Parties auf der Donau, schickte Geburtstagsgrüße, erinnerte an Inspektionsintervalle und war immer für ein Verkaufsgespräch zur Stelle, wenn der Alte alt und der Neue so viel begehrenswerter war. Das blieb auch so, bis nach den Omegas die familiären Ansprüche kleiner wurden und die Astra Caravans für den Fahrradtransport immer noch ausreichend Stauraum boten.

Natürlich waren andere Marken da längst viel innovativer, viel angesagter, viel cooler, much more „premium“. Aber die Einheit Marke, Produkt, Händler und Kunde blieb unzerstörbar. Das habe sogar ich verstanden, mit meinen persönlichen, ganz anderen Präferenzen. Viel bessere Autos – aber würde sich mein Vater bei einem anderen Sieber auch so sicher, gut aufgehoben und seriös beraten fühlen?

Opel hat allen 1.600 Händlern gekündigt. Das ist normal, andere Hersteller haben das in den letzten Jahren längst vollzogen, teils mehrfach. Neue Verträge, neue Vorgaben, härtere Bandagen, Transparenz durch Digitalisierung – der Zweikampf um Ertrag und adäquaten Markenauftritt ist nachvollziehbar. Unlauter ist jedoch die branchenübliche Rechtfertigung, dies passiere alles nur im Sinne des Neuen Kunden und seiner Neuen Erwartungen. Die „customer journey“ ist voll digitalisiert, von der virtuellen Probefahrt bis hin zu den Freundschaftsbekundungen auf Facebook. Alles wird besser – ein „Like“ ersetzt den Blumenstrauß, der Algorithmus ersetzt den persönlichen Kontakt.

Mein Vater cruist derweil auf der himmlischen Hochschwarzwald-Straße dahin, im Opel Commodore B GS Coupe, mit diesem supergeilen Vinyldach und der sportlichen Knüppelschaltung. (cw)