Tiere im Auto (02): Wie Otto von wo zu uns kam und geblieben ist / Kein einfacher Weg in sein zweites Leben: Der Satz in den Laderaum / Gewöhnung ist alles (Foto etcpp.)

Tiere als Beifahrer sind wie Menschen im Auto: Unterhaltsam oder lästig. Mitunter sind sie nötig und nicht zu vermeiden. Immer aber sind sie ein Risiko für den Fahrer und die Sicherheit. Sind sie Hunde, dann wird gebellt, gehechelt, geknurrt oder sich breit gemacht. Sind sie Menschen, dann quatschen sie dazwischen, weisen falsche Wege oder brüllen „Jetzt nicht!“, wenn sich endlich eine Gelegenheit zum Überholen auftut. Da ist der Umgang mit Tieren einfacher. Gefährlich wurde einst eine übergroße Wespe, die vom Fahrtwind hereingespült, es sich plötzlich im Haar der Fahrerin einrichten wollte. Ruhiges Blut entschärfte die Situation. Und Kater Loki lag in unserem alten Cooper gerne im Fahrerfußraum, irgendwo beim Bremspedal und räkelte sich auf dem Akzelerator. Bosco war ein großer, aber sanfter und etwas träger Hund, der auf dem Rücksitz der Borgward Isabella TS aufrecht hockte, und den Kopf auf die Lehne des Fahrersitzes ablegte. Damit hatte der Fahrer keine Probleme, aber Bosco begann nach kurzer Fahrt damit, die Ohren des Fahrers auszulecken. So hatten unsere Tiere früher halt so ihre Eigenheiten im Auto.

Das ist heute noch immer so. Nur in Verbindung mit anderen Verkehrsverhältnissen. Heute ist niemand mehr dauerhaft allein auf deutschen Straßen. Und für den Aufenthalt der Vierbeiner gilt: Sicherheit hat Vorfahrt. Deshalb reist unser aktueller Hund auf längeren Strecken, eingeteilt in viele Kurz-Etappen, nur in seiner Hundehütte mit, die eine geprüfte Transportbox ist, mit Haken und Ösen sowie mit verstellbaren Spanngurten. Für das Foto der idyllischen Situation wurde auf Vergurtungen verzichtet, das Auto blieb geparkt. Ohne Hund, der fürs Foto ab-, und zur Wanderung angeleint wurde.

Unser junger Hund im Auto heißt Otto und das alte Auto ist ein Volvo 240 Kombi, im weisen Alter von etwa dreissig Wintern. Otto ist jetzt am 5. Juni zwei Jahre alt geworden, gefeiert wurde mit einem sauriergroßen Fleischknochen für ihn und einem Piccolo für seine Herrchen. Dass Otto im Volvo mitfährt, das wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Denn er kam in Spanien als gesunder Labrador-Schäferhund-Mix zur Welt, schlug die wechselhafte Laufbahn eines Rüden-Straßenhundes ein und sah einer ungewissen Zukunft entgegen. Als er der deutschen Initiative „Hunde in Not“ angeschlossen und dem Tierarzt vorgeführt wurde, entwickelte sich seine Karriere neu. Sein zweites Leben führte ihn über den Tierschutzverein Rhein-Main e.V. und einigen privaten Kontakten zu uns. Hier lebt er nun, arbeitet mit einer Hundetrainerin zusammen, und beginnt, seine Ausfahrten im Volvo 240 Kombi zu genießen. Das war nicht immer so.

Schon seine körperlichen Merkmale definieren Otto als wachen, bewegungsintensiven Kerl. Bei seiner Einreise wies er eine Schulterhöhe von 58  Zentimeter auf, das hat sich auf rund 62 Zentimeter entwickelt. Überall hat er kräftige Muskelpäckchen angelegt, er könnte mit gutem Anlauf viel höher weiter springen, als er es jetzt tut, nur wenn er ausdauernd durch den großen Garten im idyllischen Weinort Bürgstadt jagt, dann blitzen seine Hundefähigkeiten auf. Otto war bei unserer Adoption ein verschrecktes Tier. Ein Hund mit eingeklemmtem Schwanz, furchtsam am Boden kriechend und misstrauisch allem gegenüber. Anderen Hunden gegenüber zeigt er Zähne (ein herrliches Gebiss) und führt Kriegstänze auf. In den freundlich-alten Volvo einzusteigen kam überhaupt nicht in Frage. Er scheute mit allem, was er hatte. Wir mussten Otto anheben, ihn auf Händen in den Laderaum tragen. Hilfe leisteten großzügige Gaben von Leckerlis, die einzigen Argumente, um Otto von Vorgängen zu überzeugen, die er zunächst zutiefst ablehnte. Einmal drin, entdeckte Otto die Freuden des zügigen Transports. Nach zwei, drei Wochen mit etlichen Kurzstrecken in die Tiefen des einsamen Spessart hatte der Hund entdeckt, wie das mit dem Entern des Laderaums abläuft: Zwei Schritte, gezielter Absprung, Voderläufe etwas angehoben und dann kontrollierte Landung im Laderaum. Kurzes Drehen im Kreis, ein neues Leckerli, genießerisches Kauen, ruhiges Abhocken und gordnetes Liegen und interessierender Blick nach draußen. Drinnen ist es für seine Fahrten gut eingerichtet: Von haus aus ist der alte Schwede von robustem Wesen. Kratzer in der Hartplastikverkleidung sind kaum möglich, etwas Sabber ist leicht aufgewischt und auf der Gummimatte ist gut kauen. Bei der Näherung zum Parkplatz wird Otto aktiv und richtet sich auf: Der Hund erkennt Umgebungen sofort, erinnert spontan, auch mit der Nase, der Volvo ist ihm jetzt so vertraut wie seine Decke im Arbeitszimmer. in der Nach-Corona-Zeit geht es ans Meer. Aber nicht mit dem Volvo. Doch Otto wird dabei sein. (wp./Foto etcpp.)